Werke

Versatzstück

Versatzstück 21

Kunst ist nie abgeschlossen, gerade wenn sie wie seit 30 Jahren im Werk von Timm Ulrichs, als konzeptuelle „Totalkunst" auftritt. Allerdings betreibt Ulrichs seine Kunst gerade in Zusammenhang mit den Phänomenen der Natur als Vexierspiel und Blickwechsel. Da sei „die Methode des Wortwörtlichnehmens, da sind die aus dem Geist der Tautologie geborenen Tafeln und Texturen, die Identitätsrätsel, die Standortbestimmungen und die Anpassungsmuster im Zwickel von Geographie, Biologie und artifiziellen Täuschungsmanövern" (Ulrichs 1985).

Weit davon entfernt, sich in neodadaistischen Zauberstücken zu verzetteln, geht es Ulrichs um das spielerische Jonglieren mit Intentionen, Verhaltensmustern und Bildern. Wie die Sprache auf Vereinbahrungsmodi beruhe, so könne sich auch jeder Gegenstand in sein Gegenteil verkehren, wenn sich die Konditionen änderten. „Das Buch der Natur" (Titel einer Außenarbeit von 1972) in Form von zwei perforierten Kalksteinen, durch deren Öffnungen fünf lebende Olivenbäume emporwachsen, muß jeweils neu gelesen werden, will man die sich ständig verändernde Natur überhaupt verstehen und zeigen.

Bereits 1969 hatte Ulrichs die Idee des „Versatzstückes" am Beispiel des Baumes und des Blumentopfes formuliert: „Ich habe bewegliche (fahrbare) Bäume ausgestellt: scheinbare Versatzstücke in Attrappen-Konstruktion mit Rädern und Deichseln, vermeintlich versetzbare Bäume, bei denen riesige Töpfe und Kübel und (Weihnachtsbaum-) Standfüße um die fest verwurzelten Bäume herumgebaut wurden (so daß man ihnen ersparte, gefällt zu werden ihrer menschlichen Eigenschaften wegen."

Die jetzige Garten-Skulptur des „Baumes im Topf" hat Ulrichs in detaillierten Planzeichnungen erstmals für den Französischen Garten in Celle 1994 als unverrückbare Freiplastik realisiert. Für den Kurpark in Bad Homburg mußte er demzufolge eine neue, doch nahezu identische Version konstruieren lassen. In seinem Erläuterungsbericht zum Wettbewerb für den begrünten Innenhof des Bundessortenamtes in Hannover, für den er gleichfalls das Konzept dieser Freiplastik in Vorschlag gebracht hatte, erläutert er ausführlich seinen Vorschlag: „Mein Entwurf Baum als Topfpflanze sieht vor, einen Baum (in diesem Falle eine Linde, die ja sehr flach wurzelt) zu setzen und mit einem großen, 250 cm hohen (erdlosen) Blumentopf zu umgeben, so daß dieser mit Hilfe dieser Art Attrappe nicht wie angewurzelt erscheint, sondern wie versetzbar, wie ein Versatzstück, ein mobiles Möbel. Der Baum, hier ähnlich zentral wie einst eine Dorflinde, repräsentiert gleichsam die freie Natur, der Topf aber Kultur. Zu solcher Form der Domestizierung, Heimholung und Heim-Suchung gehört auch die Tätigkeit eines Bundessortenamtes, das die Pflanzenwelt auf ihre Verwertbarkeit für den Menschen prüft und züchtet, die Pflanze zieht und erzieht und die Bäume schult. Damit steht dieser Baum für das Spannungsverhältnis Natur-Kultur, ohne aber darauf nachdrücklich zu verweisen. Vielmehr erscheint das Ganze spielerisch, durch den Maßstabssprung wie aus der Welt Gullivers (oder Claes Oldenburgs) in die unsere übersiedelt.

Der Baum, durch den Topf nicht im Wachstum beeinträchtigt, ist, wie erwünscht, natürlich pflegeleicht und wetterbeständig. Der Beton-Topf ... braucht allenfalls alle paar Jahre einen neuen Anstrich mit ziegelroter Dispersionsfarbe, die ich liefere. Oben ist der (nicht einsehbare) Topf durch ein Metallgitter vor Laubeinfall geschützt."

Künstler Timm Ulrichs
Erstellungsjahr1969/2001
TechnikBeton - farbig gefaßt, Baum
Maße250 x 275 x 275 cm
ausgestellt inBlickachsen 3, Bad Homburg

Kunstwerke von Timm Ulrichs

Blickachsen 7

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