Dietrich Klinge

(Deutschland) *1954 in Heiligenstadt

Das ehemalige Zisterzienserkloster Eberbach im Rheingau, eines der am besten erhaltenen Beispiele mittelalterlicher Klosterarchitektur in Deutschland, wird in diesem Jahr erstmals als Ausstellungsstandort in die „Blickachsen“ einbezogen. 21 Bronzen von Dietrich Klinge sind in den Innenräumen und Außenanlagen des historischen Gebäudekomplexes installiert und stehen in direktem Dialog mit dem Ausstellungsort – mit der Geschichte und ursprünglich spirituellen sowie landwirtschaftlichen Funktion der Klosteranlage ebenso wie mit ihrer romanischen und frühgotischen Architektur. Mit großem Feingefühl hat Klinge die Ausstellung an diesem Ort eingerichtet, der einen idealen Bezugsrahmen für seine Arbeiten bietet. In seinem skulpturalen Werk konzentriert sich der Bildhauer und Grafiker Dietrich Klinge auf die menschliche Figur. Er schafft mit seinen abstrakt-figurativen Formen eine expressive, archaisch anmutende Bildwelt aus ganzen Figuren mit ungewöhnlichen Gesten in den verschiedensten Körperhaltungen sowie Büsten, Köpfen und auch Reliefs. All seine Arbeiten wirken wie grob behauene Holzskulpturen, tatsächlich aber sind es ausschließlich Bronzegüsse, in denen die Oberflächenstruktur der Holzmodelle erhalten ist. Klinge beginnt den Bearbeitungsvorgang nur nach ausführlicher Kontemplation und Vorausplanung. Kleinere Figuren entstehen aus einem einzigen Stück Holz, monumentale größere Formen und komplexere Kompositionen hingegen aus einer Kombination mehrerer bearbeiteter Blöcke. Die nach dem Holzmodell gegossenen Bronzen erhalten abschließend eine sorgfältig aufgetragene Patina, die den Eindruck verstärkt, dass es sich um Arbeiten aus Holz handelt. Klinge‘s Außenraumskulpturen sind in zahlreichen Städten Deutschlands und zunehmend auch in den USA im öffentlichen Raum installiert und waren bei früheren „Blickachsen“-Ausstellungen im Bad Homburger Kurpark und im Skulpturenpark Niederhöchstadt zu sehen. Jede seiner ausdrucksstarken Figuren sendet eine physische und psychische Energie aus, die selbst einen beiläufigen Spaziergänger unwillkürlich erfasst. Trotz aller Kühnheit der Formen und Gesten, geht es in Klinges Bildhauerei jedoch wesentlich um Kontemplation und innere Stille, oder auch um ein inneres Ringen zwischen aktiven und passiven Seinszuständen. Es ist die Balance zwischen der kraftvollen, eindringlichen Präsenz und einer geistvollen, oft spirituellen Haltung der Skulpturen, von der ihre unvergleichliche Macht ausgeht. Der besondere Charakter der „Blickachsen-9“-Ausstellung Dietrich Klinges im Kloster Eberbach ist in einem eigenen Katalog mit einem Text von Joseph A. Becherer anschaulich dokumentiert.