Werke

Gehörgang

Gehörgang 4

Ursprünglich hatte Bury diese 36 m lange Holzkonstruktion für den Kölner Vorgebirgspark entworfen und dort erstmals im Jahre 2000 aufgebaut. Diese Plazierung auf dem Gelände eines gepflegten Gartens nahm deutlich Bezug zu den hier vorgegeben Örtlichkeiten, der extremen Länge des Rasenvierecks, des achsial verlaufenden „Baumhofes" und seines Parkweges, der durch Heckenöffnungen in benachbarte Gartenanlagen fluchtet. Die Höhe des „Gehörganges" ist sogar abgestimmt mit der Höhe der Hecken, entspricht aber durchaus den Abmessungen eines aufrecht gehenden Menschen. Bedeutsam ist in jedem Fall die parallele Anordnung der beiden scheinbar identischen und leicht diagonal versetzt fortlaufenden Tunnelgänge. Wie Gerhard Kolberg ausführt, wirkt diese begehbare skulpturale Architektur aus der Frontalansicht „noch als geradliniges und rhythmisch geordnetes Einzelobjekt. Wenige Schritte nur machen ihre Zweiteiligkeit sichtbar und aus der Nähe gesehen die meisterlich von Kölner Zimmerleuten ausgeführte Bauweise zum ästhetischen Erlebnis." Es stellten sich Assoziationen rundbogiger Rosenspaliere ein, Erinnerungen an urbane Laubengänge, Fachwerkkonstruktionen und überdachte historische Brückenbauten.

Die Verlegung dieses „Gehörganges" in die von Peter Joseph Lenné angelegte Brunnenallee des Kurparkes von Bad Homburg steigert eigentlich noch die für Burys Werk bestimmende Funktion als freistehende und begehbare Raum-Skulptur. Das hier schnurgerade in die historische Pflasterung des Weges eingelassene achsiale Bodenmuster deckt sich nahezu mit der Breite des „Gehörganges" und wirkt wie ein ins Unendliche fortlaufender „Laufsteg", auf dem sich die Stelzen gleich einem Viadukt axial in beide Richtungen, zum Siamesischen Tempel und zum Obelisken, in den Kurpark fortzusetzen scheinen. Die unmittelbare Nähe zur benachbarten Parkarchitektur stimuliert den Vergleich zu den funktionsgerechten Zweckbauten, dem sich Burys „Gehörgang" demonstrativ entzieht.

Der menschlichen Größe entsprechend erreicht der Kopf des Wanderers beim Durchschreiten der Gänge die Höhe der kreisrunden Tunnelwölbung. Der Blick ist grundsätzlich entsprechend dem Verlauf des Ganges nach vorne gerichtet. Dadurch wird „ein zielgerichtetes Sehen angeregt, doch nicht das Fokussieren einer Optik, sondern unsere Schritte bringen uns durch das begehbare „Teleskop" dem erspähten Ausschnitt der Topographie näher. Zudem steigert der Künstler die ästhetische Rezeption und sinnliche Raumerfahrung mittels einer Orientierungsirritation: Beide Skulpturenelemente behaupten nämlich ihre räumlich-gestalterische Eigenständigkeit gegenüber der vorgefundenen Gartenaxialität durch ihre diagonale Positionierung auf dem Parkweg. Die Bogengänge verlaufen nicht streng parallel, sondern sind leicht schräg zueinander versetzt. „Man fühlt sich", so Kolberg weiter, „an einen beiderseitigen aber gegenläufig geführten Ruderschlag einer antiken Galeere (oder an die Bewegung eines Tausendfüßlers) erinnert, wiewohl die Konstruktion aus gliedernden Spanten und dynamisch-horizontaler Lattenbeplankung ohnehin der des Bootsbaus gleicht".

Andererseits klingt in der bis an die Wegesränder auslagernden Balkenkonstruktion auch die baustatisch bedingte Verwandtschaft gotischer Kathedralen an ... Die Assoziation von gotischer Architektur legt denn auch den Vergleich des „Gehörgangs" mit einem Ort nahe, an dem man besinnlich wandeln, meditieren und sich orientieren kann. Visuell abgeschirmt von der Außenwelt durch die perspektivisch in die Raumtiefe fluchtende Beplankung der schattigen Rundgewölbe ... ist der Mensch während seiner Passage quasi auf sämtliche fünf Sinne angewiesen. Vor allem das Gehör wird sensibilisiert, um über die Kompensation des beschränkten Gesichtssinns nicht die Verbindung zur Außenwelt zu verlieren. Bewußter wird beim lauschenden Gehen auch der Schritt, der in der Wölbung wiederhallt und vielsinnig das architektonische Kunstwerk zum „Gehörgang" macht.

Künstler Claus Bury
Erstellungsjahr2000
TechnikHolz
Maße250 x 3600 x 240 cm
ausgestellt inBlickachsen 3, Bad Homburg

Kunstwerke von Claus Bury

Blickachsen 4

Blickachsen 3